Vorweg: ja, mit dieser Überschrift unterstellen wir, dass Werbetreibende und Marketer andere Menschen manipulieren. Ist das schlimm? Nein. Das Problem liegt nicht in der Manipulation, sondern in der Konnotation des Wortes; immerhin ist diese negativ geprägt. – Womit wir beim Thema sind…
Manipulative Effekte in Marketing und Werbung
Wir alle kennen die typischen Slogans, mit denen für Produkte oder Dienstleistungen geworben wird. Versucht z. B. mal, die folgenden Slogans einer Marke zuzuordnen.
„Ich liebe es.“
„Wir lieben Lebensmittel.“
„Nichts ist unmöglich.“
Na, alle erkannt?
Meistens nutzen Unternehmen dafür einen einprägsamen Spruch, der kurz und knapp eine bestimmte Botschaft zusammenfasst. So soll sich der Kunde besser an die Marke oder das Produkt erinnern.
Meist funktioniert dies auch super. Denken wir z. B. an Carglass, fällt vielen von uns wahrscheinlich sofort die lustige Melodie ein, die wir aus den TV- Spots kennen („Carglass *nana na na*, Carglass *naa na*“).
Werbung wird primär dafür genutzt, um Menschen zu verdeutlichen, was eine Marke oder ein Produkt einzigartig macht. Warum solltest du z. B. die Zahnpasta von Dent-xx-Med kaufen und nicht die von Col****?
Die Überzeugung und der Gewinn neuer Kunden steht dabei immer im Fokus. Ein Werbeslogan ist jedoch nur eines der vielen Mitteln, die Unternehmen dafür nutzen.
Das alles ist jetzt für viele wahrscheinlich nichts neues. Die meisten von uns kennen grundlegende Werbestrategien und wenden diese vielleicht sogar selbst an.
Was viele jedoch nicht wissen? Unternehmen profitieren von bestimmten Automatismen unseres Denkens und Handelns. Durch bestimmte Werbestrategien beeinflussen sie so unsere Kaufentscheidungen.
Zusätzlich ist es dabei egal, ob wir uns der Werbung direkt zuwenden oder diese nur unbewusst während dem Scrollen durch TikTok oder Instagram wahrnehmen. Unser Unterbewusstsein registriert die Informationen und verarbeitet sie gleichermaßen.
Welche dieser psychologischen Automatismen werden von Unternehmen also zusätzlich genutzt, um das Kaufverhalten zu manipulieren?
Der Sleeper- Effekt
Die erste Strategie basiert auf dem „Sleeper- Effekt“. Viele von euch sind diesem Effekt womöglich bereits mehrfach begegnet.
Der Sleeper- Effekt wurde 1949 von den Wissenschaftlern Hovland, Lumsdaine und Sheffield entdeckt. Nach deren Theorie speichern wir Informationen, die unglaubwürdig erscheinen auch gleichermaßen als zweifelhaft in unserem Gehirn ab. Diese Informationen werden verarbeitet und „schlafen“ in unserem Unterbewusstsein.
Zu einem späteren Zeitpunkt wird die Information jedoch wieder ins Gedächtnis gerufen, nämlich wenn wir irgendeinen Zusammenhang zur ursprünglichen Information herstellen können. Nun erscheint uns die Information jedoch gar nicht mehr so unglaubwürdig und lachhaft wie anfänglich. Sie hat sich quasi eingenistet und unsere ursprüngliche Meinung verändert.
Zur Vorstellung ein einfaches Szenario.
Wir sind im Supermarkt und arbeiten unsere Einkaufsliste ab. Ganz unten auf der Liste steht Zahnpasta. Wir gehen also in die Abteilung für Zahnhygiene und suchen nach einer passenden Zahncreme. Plötzlich sehen wir eine Neuerscheinung, deren Werbung wir im Fernsehen gesehen haben. Wir erinnern uns an den Satz: „Sorgt für fünf Mal weißere Zähne als jede herkömmliche Zahncreme!“
Damals dachten wir uns: „Ja klar, wer glaubt denn sowas…”
Beim heutigen Einkaufen erinnern wir uns jedoch an diesen Satz der Werbung in Zusammenhang mit der neuen Zahncreme und finden die Behauptung gar nicht so lächerlich. Wir entscheiden uns die Neuerscheinung auszuprobieren und kaufen die Zahnpasta.
Der Primacy- Recency- Effekt
„Der erste Eindruck zählt. Der letzte bleibt.“
Dieser Satz fasst den nächsten Automatismus perfekt zusammen.
Dieser setzt sich aus zwei individuellen Effekten zusammen, dem Primacy- und dem Recency Effekt. Wie der Sleeper- Effekt wirken sie sich dabei auf unsere Erinnerungsleistung aus.
Der Primacy Effekt besagt, dass wir Informationen am Anfang einer Botschaft besser erinnern als nachfolgende Informationen. Deswegen passt hier der Satz: Der erste Eindruck zählt.
Der Recency- Effekt hingegen besagt das komplette Gegenteil: Die letzten Informationen der Botschaft einer Werbung werden am besten erinnert. Deshalb hier passend: Der letzte Eindruck bleibt.
Der erste Psychologe, der diese Effekte beobachtete, war Hermann Ebbinghaus. In seinem Buch „Über das Gedächtnis“ von 1885 schreibt er über seine Entdeckung, dass Wörter einer Liste an erster und letzter Position am besten erinnert wurden.
Heute gibt es zahlreiche Experimente, die dieses psychologische Phänomen bestätigen. Nicht verwunderlich ist es also, dass auch die Werbung sich diesen Effekt zu Nutzen macht.
Besondere Verwendung findet dieser Trick in Werbespots.
Nehmen wir uns als Beispiel die verschiedenen Werbespots vom Ehrmann Joghurt. Am Anfang wird in den meisten Fällen unmittelbar das neue Produkt präsentiert. In Begleitung dazu hört man Worte wie: „Keiner macht mich mehr an“
Bereits in den ersten fünf Sekunden des Spots sieht der Betrachter also bereits das Produkt und den Markennamen. Auch eine leichte Abwandlung des Werbeslogans der Marke ist bereits enthalten.
Das Ende des Spots ist praktisch dasselbe in grün. Das Produkt wird erneut präsentiert, das Logo und der Markenname steht nicht nur auf dem Joghurt, sondern auch in der oberen Bildschirmecke. Das ganze Szenario wird begleitet vom Slogan („Almighurt von Ehrmann – keiner macht mich mehr an.“).
Durch den Fokus auf Produkt, Marke und Slogan am Anfang und am Ende des Spots sollten diese dem Betrachter also am besten in Erinnerung bleiben.
Der Halo- Effekt („Heiligenschein“- Effekt)
Postuliert wird dieser Effekt vom Psychologen Edward Lee Thorndike bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Laut ihm ist ein einziges bekanntes Merkmal einer Person bereits ausreichend, um auf ein anderes unbekanntes Merkmal der gleichen Person schließen zu können.
Wie man es in diesem Kontext auch nennen könnte? Die Bildung von Stereotypen.
Attraktive Menschen werden z. B. automatisch als kompetent wahrgenommen, Brillenträger als schlau und hässliche Menschen als unsympathisch.
Im Gegensatz zu den ersten beiden Effekten wirkt sich dieser Effekt demnach nicht auf die Erinnerungsleistung, sondern auf das Urteilsvermögen aus.
Wie wird dies nun von Unternehmen genutzt?
Bei Produkten oder Marken machen wir grundsätzlich das Gleiche wie bei Personen. Zunächst nehmen wir besonders auffällige Merkmale wahr. Wird z. B. etwas immer wieder positiv erwähnt, sticht dieses Merkmal besonders für uns hervor.
Hat eine Marke bspw. ein besonders positives Image, schließen wir daraus, dass die Produkte der Marke ebenso positiv bewertet werden können. Das steigert unser Kaufverhalten.
Gut zu beobachten ist dieser Effekt besonders bei „bekannten“ Marken.
Zur Vorstellung ein einfaches Szenario: Der Kauf von Sportschuhen.
Wir sind im Schuhladen in der Abteilung für Sportschuhe. Die Auswahl ist riesig. Billige, teure, bekannte Markenschuhe und No- Name Schuhe sind zu finden. Wir probieren einige der Schuhe an und schwanken letztendlich zwischen zwei Paaren. Grundsätzlich unterscheiden sie sich nicht. Beide haben ein schlichtes Design, beide sind bequem und lassen sich am Fuß gut tragen.
Der Unterschied? Das eine Schuhpaar ist von Adidas, das andere von einer No-Name-Unternehmung.
Adidas hat jedoch ein besonders positives Imagine. Wir wissen, dass die Marke seit vielen Jahren für gute Qualität und Komfort bekannt ist. So schließen wir, dass dies sich auch auf die Schuhe übertragen lässt.
Die No-Name Schuhe unterscheiden sich in ihren Merkmalen nicht von den teuren Markenschuhen. Trotzdem werden wir, sofern Geld keine Rolle spielt, die Adidas-Schuhe kaufen. Wir assoziieren diese Markenschuhe mit mehr positiven Aspekten als das andere Paar.
Aus diesem Grund rechtfertigen wir den Kauf trotz des hohen Preises. Die Marke steht schließlich für etwas und wird mit einem bestimmten Lebensstil assoziiert.
Übrigens: der gleiche Effekt findet sich, sobald ein negatives Merkmal einer Marke besonders auffällt. In diesen Fällen ist die Wirkung jedoch umgekehrt: Wir kaufen das Produkt nicht, da wir das eine negative Merkmal auf alle anderen Merkmale übertragen.
Dies nennt man dann den „Teufelshörner“- Effekt.
Strategien in der Werbung: Komplexer als gedacht
Schauen wir uns die verschiedenen Effekte an, wird deutlich, dass Unternehmen zur Überzeugung ihrer Kunden nicht nur einprägsame Werbeslogans und coole Markennamen nutzen.
Sie nutzen verschiedene psychologische Automatismen des Menschen, die unser Kaufverhalten aktiv beeinflussen. Große Kontrolle haben wir darüber nicht, außer wir achten bei jedem Kauf darauf, dass wir uns bewusst für dieses Produkt entscheiden und kein anderes.
Diese drei Effekte sind jedoch nicht die einzigen, die unsere Kaufentscheidung lenken. Es gibt noch eine Reihe anderer Strategien, mit denen Unternehmen, ohne dass wir es merken, uns um den Finger wickeln…
Quellen
Lachman, S. J., & Bass, A. R. (1985). A direct study of halo effect. The Journal of Psychology: Interdisciplinary and Applied, 119(6), 535–540. https://doi.org/10.1080/00223980.1985.10542924
Petty, R. E. (1977). A cognitive response analysis of the temporal persistence of attitude changes induced by persuasive communications / [Doctoral dissertation, Ohio State University]. OhioLINK Electronic Theses and Dissertations Center. http://rave.ohiolink.edu/etdc/view?acc_num=osu1487955360601922
Wozniak, R. H. (1999). Introduction to memory: Hermann ebbinghaus (1885/1913). Classics in the history of psychology. https://doi.org/10.1007/978-1-4419-1428-6_360