Ich habe Lieblingswörter. Ferner gibt es Wörter, denen ich gern zur Streichung aus dem Duden verhelfen möchte. Nennen wir sie ruhig “Hasswörter” (und damit ich den SEO-Wert des Beitrags erfülle, sei folgend noch das notwendige, aber völlig fehlplatziere Keyword des Artikels eingefügt: Hasswort).
Hiermit starte ich meinen persönlichen Streifzug durch die Hasswort-Gallerie. Möge die Schlacht mit Teil 1 beginnen.
„To Go“
Ich mag Anglizismen. Ihre Einführung in die deutsche Alltagskommunikation bringt die Nutzer in vielen Bereichen voran. Zudem fehlen uns im Deutschen einige Begriffe, die durch Anglizismen herausragend besetzt werden können (von fachsprachlichem mal abgesehen). Gleichzeitig haben wir (Sprecher und Muttersprachler) Werbebegriffe in unsere Alltagssprache übernommen, die gänzlich überflüssig sind: „To Go“ ist mein Hasswort dieser Kategorie. Ganz ehrlich: „Einen Coffee to Go, bitte!“(?). Wozu? Ist es nicht mehr möglich, einen „Kaffee zum Mitnehmen“ zu bestellen?!
Was bewegt Menschen dazu, Wortästhetik gegen scheinbare Effizienz tauschen? Mein Fotografenfreund Tim Hard beantwortet es folgendermaßen: „Das ist so ‘ne Pseudo-Eloquenz, wenn man englische Wörter nutzt, die man gar nicht braucht.“
Eine andere These geht davon aus, dass es ein Modebegriff ist, der wohl ebenso schnell wieder verschwinden wird, wie er aufgekommen ist. Allerdings glaube ich nicht daran, da selbst der ur-deutsche Bäcker im Nachbardorf inzwischen den „Kaffee to Go“ anbietet. Das stößt mir noch wesentlich mehr auf, als der „Coffee to Go“ oder ähnliche Varianten. Leider ändere ich daran nichts.
Ich bin mir unsicher, worauf dieser Trend hinweist. Ich bezweifle, dass mit der Einführung von Anglizismen „unsere“ Sprache verlorengeht. Allerdings empfinde ich es als schade, wohlklingende deutsche Lexeme gegen kürzere einzutauschen, die uns keinen Schritt weiterbringen.
Hasswort: “Hasswort”
(Dieser Absatz ist von meiner Mutter inspiriert.)
Mutti sagt immer wieder, dass Gefühle starke Bilder hervorrufen und ich nicht vorschnell mit Wörtern um mich werfen soll, die missverstanden werden können. “Hasswort” sei wohl eines davon. Als wir uns über diesen Artikel unterhielten, erklärte meiner Mutter eben jenes Wort zu ihrem “Hate-Word” des Monats. Es sei “so negativ”. – Stimmt. Ist es. Gleichsam befreit es und inspiriert mich, nach mehr zu suchen. Außerdem erfreue ich mich dadurch immer wieder an Wortneuschöpfungen wie “Wortästhetik”, die nur schwerlich durch seltsame Begriffe substituiert werden können. … Schön!
Besonders die deutsche Sprache hat schon viele Dichter zu blumigen und poetischen Werken inspiriert. Neben klangvollen und hintersinnigen Wörtern, die in den Lieblingswort-Sammlungen dieses Blogs vorgestellt werden, existieren jedoch auch Unwörter, bei deren Erklingen sich mir die Zehennägel aufrollen. Meine persönlichen Hasswörter sollen ihre letzten Minuten des Ruhms genießen, denn nun beginnt meine Abrechnung.
„authentisch“
Es gibt kaum ein Wort, das in den letzten Jahren inflationärer verschossen worden ist als „authentisch“. Authentizität bedeutet Verlässlichkeit, Glaubwürdigkeit und Echtheit. Was genau ist aber die Kerneigenschaft eines „authentischen“ chinesischen Restaurants, eines „authentischen“ Werbespots oder einer „authentischen“ Persönlichkeit?
Ehrlichkeit und Echtheit sind vor allem in der Werbebranche beliebte Schlagwörter geworden. „Markenauthentizität“ soll bedeuten, dass nicht mehr und nicht weniger als das tatsächliche Nutzenversprechen transportiert wird. Das Problem daran ist jedoch: Wäre die Werbung für Kinder Riegel wirklich authentisch, wären sie nicht „die extra Portion Milch“, sondern „die extra Portion Zucker“.
Meiner Meinung nach handelt es sich bei „authentischer Werbung“ um nichts weiter als ein Oxymoron. Der vielseitige Begriff der Authentizität verkommt mehr und mehr zum nervigen Lückenfüller. Gute Werbung ist nicht „echt“, sondern griffig, außergewöhnlich oder eingängig. Und wie die Persönlichkeit eines Menschen „echt“ sein soll – oder unecht sein kann – ist mir ohnehin ein Rätsel.
„Ostalgie“
Es ist nichts verkehrt an Neologismen. Sprache ist ständig im Wandel.
Menschen müssen für neue Sachverhalte neue Begriffe finden, damit man sich auch weiterhin unfallfrei verständigen kann.
Allerdings kann ich Neologismen, die mit diffizilen Sachverhalten Schabernack treiben, nicht viel abgewinnen.
Nostalgie ist kein Phänomen, das ausschließlich ostdeutsche Bundesbürger überkommt, die aktiv Lebenszeit in der DDR verbracht haben. So gut wie jeder Mensch wird schon einmal gedacht haben, dass früher, in den guten alten Zeiten, alles besser war. Sich zurückzusehnen ist also nichts verwerfliches. Kritiker halten Ostalgikern vor, sie seien dem Fakt gegenüber ignorant, die SED-Führung habe gravierend (negativ?) in das Leben der DDR-Bürgern eingegriffen.
Ich halte die Behauptung, dass alle ehemaligen DDR-Bürger die Augen vor dem Unrechtsstaat verschließen, wenn sie in Erinnerungen schwelgen, für zu kurz gedacht. Jede Medaille hat zwei Seiten, deshalb kann keine ordentliche Erinnerungskultur entstehen, wenn durch solche Pauschalisierungen jede positive Äußerung obsolet wird.
Dafür einen Begriff zu erfinden, der den Sachverhalt noch mehr verkürzt, setzt dem ganzen die Krone auf.
„mensen“
Man möchte meinen, dass es nicht mehr notwendig ist, jeden Sachverhalt bis zur Unkenntlichkeit zu verkürzen, seit die Zeichenbegrenzung der SMS im Alltag keine Rolle mehr spielt. Trotzdem entstehen nicht nur von Substantiven, sondern gleich von ganzen Sachverhalten Ableitungen wie „mensen“ für „in die Mensa gehen“.
Zugegeben, das mag ein sehr konkretes Beispiel aus meinen studentischen Dunstkreisen sein. Aber auch andere Leute „facebooken“ und tun das so erfolgreich, dass diese Schöpfung mittlerweile im Duden steht.
Ich wünsche mir einfach nur ein bisschen mehr Investition von Zeit und Gedanken in die Sprache und ein bisschen weniger Haschen nach vermeintlicher „Effizienz“. Wäre es nicht schöner, gleich von Anfang an richtig verstanden zu werden, als alles im Nachhinein noch einmal umständlich erklären zu müssen?